Hintergrundwissen zur Leber

Alkohol und seine schädigende Wirkung auf die Lebergesundheit

Die Leber nimmt eine Schlüsselrolle im Stoffwechsel und der Entgiftung des Körpers ein, wodurch sie besonders anfällig für die schädlichen Auswirkungen von Alkohol ist. Langfristiger und übermäßiger Alkoholkonsum kann zu verschiedenen Ausprägungen von Leberschädigungen führen – von einer reversiblen Fettleber bis hin zur irreversiblen alkoholischen Leberzirrhose. Dieser Artikel beleuchtet den komplexen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und den negativen Auswirkungen auf die Lebergesundheit, während er gleichzeitig präventive und therapeutische Maßnahmen aufzeigt.

Es gibt keine gesundheitlich unbedenkliche Menge Alkohol!

Die alkoholische Leberkrankheit entsteht durch chronischen, exzessiven Alkoholkonsum, und ist weltweit neben der virusbedingten Hepatitis die häufigste Form einer chronischen Lebererkrankung. In Deutschland verstarben 2021 laut statistischem Bundesamt 8.260 Menschen an einer alkoholbedingten Leberschädigung, die damit einer der Hauptursachen für alkoholbedingte Todesfälle darstellt. Die Schwellendosis für eine hepatotoxische Alkoholwirkung ist dabei individuell unterschiedlich und abhängig von Faktoren wie Geschlecht, genetischer Prädisposition, Adipositas und Komorbiditäten. Frauen sind anfälliger als Männer für die alkoholische Leberkrankheit, mutmaßlich aufgrund eines höheren Körperfettanteils und geringerer Mengen Alkoholdehydrogenase. Bislang galt der Konsum von maximal 12 g Alkohol/Tag für Frauen und 24 g Alkohol/Tag für Männer als risikoarm. Dies hat sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse geändert und führte zu aktualisierten Empfehlungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS): Grundsätzlich sollte Alkoholkonsum demnach so weit wie möglich reduziert werden. 

Die Annahme, dass moderater Alkoholkonsum vor koronaren Herzerkrankungen schützt und sich positiv auf Typ-2-Diabetes auswirken könnte, war lange Zeit weit verbreitet. Eine erneute Evaluierung der zugrundeliegenden Evidenz kam jedoch zu dem Ergebnis, dass methodische Mängel in der Auswertung zu falschen Schlussfolgerungen geführt haben. Dementsprechend konstatiert die WHO, dass es beim Alkoholkonsum keine gesundheitlich unbedenkliche Menge gibt.

Alkoholmetabolismus in der Leber

Die Leber ist das Hauptorgan, das für die Umwandlung von aufgenommenem Alkohol in den toxischen Metaboliten Acetaldehyd verantwortlich ist. Bei übermäßigem Alkoholkonsum kommt es zu einer Überlastung der Enzymfunktionen, was zu einer direkten Schädigung der Leberzellen mit Anhäufung von toxischem Acetaldehyd und anderen Zwischenprodukten führt.

Nach seiner Verstoffwechselung hat Alkohol eine Vielzahl von Auswirkungen auf den hepatischen Fettstoffwechsel. Von den Auswirkungen auf die Triglyceridsynthese bis hin zur Beeinflussung der Fettsäureaufnahme und -oxidation, Lipophagie, Triglyceridexport und der hepatozellulären Lipidspeicherung wirkt sich Alkohol auf die zelluläre Lipidhomöostase aus, was wiederum Auswirkungen auf den zellulären metabolischen Stress und verschiedene Entzündungswege hat, von denen man annimmt, dass sie das Fortschreiten der Lebererkrankung fördern.

Alkoholbedingte Leberschädigungen

Die alkoholbedingte Leberschädigung umfasst ein Spektrum von Krankheitsbildern, darunter die asymptomatische Lebersteatose, die alkoholische Steatohepatitis, Fibrose und Zirrhose sowie mögliche Komplikationen. Im Frühstadium bleibt ein alkoholassoziierter Leberschaden oft unentdeckt. Später manifestieren sich unspezifische Symptome wie Fieber, Müdigkeit und Appetitlosigkeit, gefolgt von Ikterus, einer vergrößerten/druckdolenten Leber sowie möglicherweise Blutungen im Verdauungstrakt und Enzephalopathien. Die verschiedenen Stadien alkoholbedingter Leberschädigung entwickeln sich häufig nacheinander, können aber auch parallel auftreten.


Alkoholische Fettleber (AFLD):
AFLD repräsentiert das erste und leichteste Stadium eines alkoholtoxischen Leberschadens. Durch übermäßigen und regelmäßigen Alkoholkonsum kommt es bei rund 90 % der Betroffenen zur Akkumulation von Fett in den Hepatozyten. Diverse Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Geschlecht, genetische Dispositionen oder bestehende Lebererkrankungen erhöhen das Risiko für eine AFLD. Aufgrund des in der Regel asymptomatischen, indolenten und nicht progredienten Verlaufs bleibt die Erkrankung oft unbemerkt und wird erst im Rahmen von Routine- oder Vorsorgeuntersuchungen diagnostiziert. Die Analyse klinisch-chemischer Parameter, darunter Gamma-Glutamyltransferase (GGT), Alanin-Aminotransferase (ALT) und Aspartat-Aminotransferase (AST) sowie bildgebende Verfahren können hinweisend auf AFLD sein. Der Goldstandard zur Diagnostik ist jedoch die histopathologische Untersuchung einer Leberbiopsie. Die Beurteilung des Grads der Verfettung (Grad 1: milde Fettleber (Fetteinlagerung < 1/3), Grad 2: mäßige Fettleber (Fetteinlagerung < 2/3 der Hepatozyten), Grad 3: schwere Fettleber (Fetteinlagerung in > 2/3 der Hepatozyten), der vorliegenden Entzündung und des hepatozellulären Schadens dienen der Unterscheidung zur Steatohepatitis. In der Regel handelt es sich bei AFLD um eine reversible Pathologie, die sich durch konsequenten Alkoholverzicht dank der ausgeprägten Regenerationsfähigkeit der Leber vollständig zurückbilden kann. Bei fortgesetztem Alkoholkonsum stellt AFLD jedoch ein kritisches Vorläuferstadium für schwerwiegendere Lebererkrankungen dar.


Alkoholische Steatohepatitis (ASH):
Fortgesetzter und exzessiver Alkoholkonsum kann bei bestehender AFLD bei 10–35 % der Betroffenen zur Entwicklung einer ASH führen. Das klinische Bild variiert von unspezifischen Symptomen über Übelkeit, Gewichtsverlust, Ikterus (50 %) und Fieber (50 %) bis hin zu akutem Leberversagen und hepatischer Enzephalopathie. Schwere Verläufe der ASH sind mit einer hohen Mortalität assoziiert (20–50 % innerhalb eines Monats). Die histopathologische Untersuchung zeigt eine zentrilobuläre Inflammation mit ballonierten Hepatozyten sowie dem Nachweis von Mallory-Körperchen (intrazelluläre Hyalinablagerungen), umgeben von neutrophilen Granulozyten. Gleichzeitig beginnt in diesem Stadium bereits die Fibrosierung.  Dieses Verlaufsstadium des alkoholtoxischen Leberschadens ist nur noch teilweise reversibel.


Alkoholische Leberzirrhose:
Die alkoholische Leberzirrhose markiert bei etwa 10–20 % der Betroffenen das Endstadium einer irreversiblen Leberschädigung. Durch kontinuierliche Entzündung und Gewebeschäden entsteht vermehrt funktionsunfähiges Narbengewebe, welches sich bei Fortschreiten zu einer Leberzirrhose mit zerstörter Leberstruktur und beeinträchtigter Leberfunktion entwickelt. Die Fibrose führt zur Verengung von Sinusoiden und terminalen Lebervenen, wodurch die Leberperfusion beeinträchtigt wird und sich eine portale Hypertonie mit assoziierten Symptomen wie Aszites, Splenomegalie und Blutungen im Verdauungstrakt (z. B. Ösophagusvarizen) entwickeln kann. Zudem kann es als Folge des hochgradigen Leberschadens zu Komplikationen wie hepatischer Enzephalopathie, dem Korsakow-Syndrom, Blutgerinnungsstörungen, Peritonitis oder letztlich Leberversagen kommen. Durch eine (alkoholbedingte) Leberzirrhose steigt zudem das Risiko für die Entstehung von hepatozellulären Karzinomen (HCC). 1–8 % aller Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung ein HCC.

Präventive Maßnahmen zum Schutz der Leber

Frühe Stadien alkoholbedingter Leberschädigungen bleiben oft unentdeckt. Daher kommt Vorsorgeuntersuchungen wie beispielsweise dem Check-up 35 beim Hausarzt/-ärztin eine große Bedeutung zu. Auffällige Laborparameter können so zu weiteren diagnostischen Maßnahmen und frühzeitigen Interventionen führen. Regelmäßige Leberfunktionstests dienen im Verlauf als wichtiges Monitoring-Instrument. In frühen Stadien findet sich oftmals nur eine Erhöhung der Parameter der Leberzellschädigung (AST, ALT, GGT), welche jedoch nicht spezifisch für eine alkoholtoxische Genese sind. Im späteren Verlauf kommt es auch zu Veränderungen der Synthese- (Serumalbumin, Gerinnungsfaktoren, Cholinesterase) und Cholestaseparameter (AP, Bilirubin). Gegebenenfalls können auch spezifische Abstinenzparameter (Ethylglucuronid oder Phosphatidylethanol) herangezogen werden.
Die effektivste präventive und therapeutische Maßnahme zur Vermeidung von alkoholbedingten Leberschäden besteht in der sofortigen und idealerweise dauerhaften Alkoholabstinenz. Dies ist jedoch häufig nicht realistisch erreichbar.  

Für eine umfassende Beratung und Behandlung von Patientinnen und Patienten ist es entscheidend, den jeweiligen Umfang des Alkoholkonsums zu ermitteln und zu verstehen. Detaillierte Anamnesegespräche in Verbindung mit beispielsweise dem von der WHO empfohlenen AUDIT-Fragebogen (Alcohol Use Disorders Identification Test) können hier Aufschluss geben. Anschließend sollte eine eingehende Aufklärung und Beratung über die Gefahren von Alkohol für die Lebergesundheit erfolgen; auch unter Berücksichtigung individuell bestehender Risikofaktoren wie Übergewicht, genetische Dispositionen, Geschlecht oder begleitende Lebererkrankungen (v. a. Hepatitis C). Es stehen deutschlandweit verschiedene Hilfsangebote zur Verfügung, um Betroffene zu unterstützen und zu begleiten. Unter der Schirmherrschaft des Drogenbeauftragten der Bundesregierung wird die Sucht-und-Drogen-Hotline betrieben, die eine bundesweite telefonische Beratung anbietet. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) stellt auf ihrer Website verschiedene Informationsmaterialien zur Verfügung und hilft mit ihrer Kampagne „Kenn dein Limit“ den Umgang mit Alkohol positiv zu beeinflussen. Darüber hinaus können über das Suchthilfeverzeichnis der DHS passende Beratungsstellen gefunden werden. Im Rahmen dieser Bewusstseinsschaffung sollten, insofern eine vollständige Abstinenz nicht zu erreichen ist, individuelle Trinkgrenzen besprochen und festgelegt werden, um den Alkoholkonsum moderat zu halten. Bei Patientinnen und Patienten mit problematischem Alkoholkonsum sollte gegebenenfalls eine Überweisung an Spezialisten für Suchtmedizin oder die Kontaktaufnahme mit Selbsthilfegruppen wie den „Anonymen Alkoholikern“ oder dem „Blauen Kreuz“ in Betracht gezogen werden.

Fazit

Alkoholische Leberkrankheiten, die durch chronischen und übermäßigen Alkoholkonsum entstehen, sind weltweit und in Deutschland eine führende Ursache für alkoholbedingte Todesfälle. In Deutschland starben 2021 laut Statistischem Bundesamt 8.260 Menschen an den Folgen solcher Leberschäden. Die hepatotoxische Alkoholwirkung variiert individuell und wird von Faktoren wie Geschlecht, genetischer Prädisposition, Übergewicht und bestehenden Krankheiten beeinflusst. Frauen sind aufgrund physiologischer Unterschiede anfälliger für diese Erkrankungen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge Alkohol gibt, und dass frühere Annahmen über moderate risikoarme Mengen revidiert werden müssen. Das klinische Spektrum alkoholinduzierter Leberschädigungen reicht von AFLD über ASH bis hin zur dekompensierten Leberzirrhose. Frühe Stadien dieser Leberschädigungen bleiben oft unentdeckt, weshalb regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und Leberfunktionstests wichtig sind. Die beste präventive und therapeutische Maßnahme ist der vollständige Verzicht auf Alkohol. Dies ist jedoch nicht immer realistisch, weshalb detaillierte Beratungen und Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und spezialisierte medizinische Fachkräfte notwendig sind. Deutschland bietet eine Vielzahl von Hilfsangeboten, darunter telefonische Beratungen und Informationskampagnen, um Betroffenen zu helfen, ihren Alkoholkonsum zu reduzieren oder ganz aufzugeben.


Referenzen

  1.  Seitz, H.K., Bataller, R., Cortez-Pinto, H. et al. Alcoholic liver disease. Nat Rev Dis Primers 4, 16 (2018). doi.org/10.1038/s41572-018-0014-7https://www.nature.com/articles/s41572-018-0014-7#Abs1 
  2. Destatis: Ergebnisse der Todesursachenstatistik für Deutschland - Ausführliche vierstellige ICD10-Klassifikation – 2021. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/Publikationen/Downloads-Todesursachen/todesursachenstatistik-5232101217015.html 
  3. Singal AK, Bataller R, Ahn J, Kamath PS, Shah VH. ACG Clinical Guideline: Alcoholic Liver Disease. Am J Gastroenterol. 2018 Feb;113(2):175-194. doi: 10.1038/ajg.2017.469. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6524956/
  4. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.: Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol. https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/WK_der_DHS_-_Empfehlungen_zum_Umgang_mit_Alkohol.pdf
  5. Stockwell T, Zhao J, Panwar S, Roemer A, Naimi T, Chikritzhs T. Do "Moderate" Drinkers Have Reduced Mortality Risk? A Systematic Review and Meta-Analysis of Alcohol Consumption and All-Cause Mortality. J Stud Alcohol Drugs. 2016 Mar;77(2):185-98. doi: 10.15288/jsad.2016.77.185. PMID: 26997174; PMCID: PMC4803651.
  6. Anderson BO, Berdzuli N, Ilbawi A, Kestel D, Kluge HP, Krech R, Mikkelsen B, Neufeld M, Poznyak V, Rekve D, Slama S, Tello J, Ferreira-Borges C. Health and cancer risks associated with low levels of alcohol consumption. Lancet Public Health. 2023 Jan;8(1):e6-e7. https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(22)00317-6/fulltext 
  7. Yan C, Hu W, Tu J, Li J, Liang Q, Han S. Pathogenic mechanisms and regulatory factors involved in alcoholic liver disease. J Transl Med. 2023 May 4;21(1):300. doi: 10.1186/s12967-023-04166-8. PMID: 37143126; PMCID: PMC10158301.
  8. Jeon S, Carr R. Alcohol effects on hepatic lipid metabolism. J Lipid Res. 2020 Apr;61(4):470-479. doi: 10.1194/jlr.R119000547. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7112138/
  9. Deutsches Ärzteblatt: Nichtalkoholische Fettlebererkrankung - Epidemiologie, Verlauf, Diagnostik und Therapie. https://www.aerzteblatt.de/archiv/160842/Nichtalkoholische-Fettlebererkrankung  

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

 

zurück zum Blog

 

Um diese Webseite für Sie optimal zu gestalten und Zugriffe zu analysieren, verwenden wir Cookies. Mit Klick auf Zustimmen erklären Sie sich damit einverstanden. Ihre Zustimmung können Sie jederzeit widerrufen. Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung