Forschung & Fortschritt

Hashimoto-Thyreoiditis: Die häufigste Ursache einer Hypothyreose

Die Schilddrüse ist das Organ im menschlichen Körper, an dem sich Autoimmunerkrankungen am häufigsten manifestieren. Die Hashimoto-Thyreoiditis stellt hierbei die häufigste Form einer Autoimmunthyreopathie dar. Sie ist weltweit die führende Ursache einer Hypothyreose. Erstmals im Jahr 1912 von dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto beschrieben, zeichnet sich die Erkrankung durch eine fortschreitende, autoimmunbedingte Zerstörung des Schilddrüsengewebes aus. Die Hashimoto-Thyreoiditis stellt sowohl aus klinischer als auch diagnostischer Perspektive eine erhebliche Herausforderung dar, da der Nachweis von Autoantikörpern nicht immer mit einer manifesten Autoimmunthyreopathie assoziiert ist.

Häufigste Autoimmunerkrankung in Deutschland  

Die Prävalenz und Inzidenz der Hashimoto-Thyreoiditis weisen weltweit regionale und populationsspezifische Unterschiede auf. Eine aktuelle Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur Entwicklung der Prävalenz verschiedener Autoimmunerkrankungen ergab für das Jahr 2022 eine Prävalenz von 2,3% der Hashimoto-Thyreoiditis unter gesetzlich Versicherten in Deutschland, was diese Erkrankung zur häufigsten Autoimmunerkrankung im untersuchten Kollektiv machte. Im untersuchten Zeitraum von 2012 bis 2022 wurde eine bemerkenswerte Zunahme der Prävalenz um 72% dokumentiert. Die Hashimoto-Thyreoiditis betrifft besonders Frauen (5- bis 10-mal häufiger als Männer) mit einem Erkrankungsgipfel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Die Differenzierung zu Morbus Basedow ist von klinischer Relevanz, da beide Erkrankungen autoimmun bedingt sind und eine Beeinträchtigung der Schilddrüse zur Folge haben, sich jedoch in ihrer Ätiologie sowie in der klinischen Symptomatik unterscheiden. In der klinischen Praxis wird zudem häufig die Konstellation von Mischformen beider Erkrankungen beobachtet, was eine differenzierte diagnostische und therapeutische Herangehensweise erfordert.       

Hashimoto-Thyreoiditis: Ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen 

Die Ätiologie und Pathogenese der Hashimoto-Thyreoiditis sind bislang nicht vollständig verstanden und stellen komplexe, multifaktorielle Geschehnisse dar. Es wird angenommen, dass genetische Prädispositionen eine maßgebliche Rolle in der Entstehung der Erkrankung spielen. Insbesondere bestimmte humane Leukozytenantigen (HLA)-Genotypen, wie HLA-DR3 und HLA-DR5, sind mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der Hashimoto-Thyreoiditis assoziiert. Neben genetischen Faktoren tragen auch Umwelt- und epigenetische Faktoren zur Krankheitsentstehung bei. Hierzu zählen Virusinfektionen, Nikotinabusus, eine übermäßige Jodaufnahme sowie Selenmangel, die als potenzielle Auslöser der autoimmunen Reaktion betrachtet werden. Ein zentrales Element in der Pathogenese ist die Bildung von Autoantikörpern, insbesondere gegen die Thyreoperoxidase (TPO-Antikörper) und das Thyreoglobulin (Tg-Antikörper), die zu einer Schädigung des Schilddrüsengewebes führen. TPO-Antikörper sind bei etwa 90–95% der Betroffenen nachweisbar und gelten als diagnostisches Kriterium für die Hashimoto-Thyreoiditis. Im Gegensatz dazu finden sich Tg-Antikörper nur in etwa 60–80% der Fälle. Klinisch kann die Erkrankung in zwei unterschiedlichen Formen auftreten: der atrophen Form, die mit einer fortschreitenden Zerstörung und Schrumpfung der Schilddrüse einhergeht, und der selteneren hypertrophen Form, die insbesondere bei jüngeren Patientinnen und Patienten zu beobachten ist.         

Klinik: Schilddrüsenunterfunktion im Zentrum der Symptomatik   

Die klinische Präsentation der Hashimoto-Thyreoiditis weist eine erhebliche Heterogenität auf und korreliert nicht immer mit dem Ausmaß der Schilddrüsenfunktionsstörung. In akuten Entzündungsphasen kann es aufgrund des thyreoidalen Gewebezerfalls zu einer vermehrten passiven Hormonfreisetzung kommen, was temporär zu einer Hyperthyreose führen kann. Dieser Zustand, bekannt als „Hashitoxikose“, verläuft häufig subklinisch, wobei gelegentlich auch typische Symptome einer Hyperthyreose, wie beispielsweise Tachykardie, Nervosität oder Gewichtsverlust, auftreten können. Im weiteren Krankheitsverlauf resultiert die fortschreitende Gewebedestruktion in einer Atrophie der Schilddrüse, wodurch sich die Hashimoto-Thyreoiditis zunehmend in den klassischen Symptomen einer Hypothyreose manifestiert. Zu den häufigsten klinischen Anzeichen zählen unter anderem Müdigkeit, Gewichtszunahme, Bradykardie, Kälteintoleranz, trockene Haut, Haarausfall sowie eine kognitive Verlangsamung. Die sogenannte Merseburger Trias, bestehend aus Kropf, Exophthalmus und Tachykardie, ist klassischerweise eher mit Morbus Basedow assoziiert und tritt bei der Hashimoto-Thyreoiditis nur selten auf. Ein endokriner Exophthalmus, der typischerweise mit einer Hyperthyreose in Verbindung steht, kann jedoch auch bei ungefähr 7% der Hashimoto-Betroffenen nachgewiesen werden. Ebenso ist der Kropf bei der hypertrophen Form der Hashimoto-Thyreoiditis nicht ungewöhnlich, wenngleich die klinischen Symptome bei fortschreitender Zerstörung der Schilddrüse zunehmend die Hypothyreose widerspiegeln.    

Labordiagnostik: Ein Zusammenspiel verschiedener Parameter   

Laboruntersuchungen nehmen eine zentrale Stellung in der Diagnostik der Hashimoto-Thyreoiditis ein. Typischerweise zeigt sich bei dieser Erkrankung ein erhöhter Spiegel des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH), begleitet von einem normalen (latente Hypothyreose) oder erniedrigten (manifeste Hypothyreose) Spiegel der freien Schilddrüsenhormone (fT3, fT4) im Serum. Diese Laborwerte liefern wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Schilddrüsenunterfunktion, deren Ausprägung je nach Stadium der Erkrankung variieren kann.     

Basisdiagnostik bei Verdacht auf Hashimoto-Thyreoiditis:

  • TSH: Ein Anstieg des TSH ist ein häufiges Zeichen für eine beginnende oder manifeste Hypothyreose
  • fT3 und fT4: Die Konzentrationen dieser freien Schilddrüsenhormone sind aufgrund der Zerstörung des Schilddrüsengewebes im Verlauf der Erkrankung häufig vermindert
  • TPO-Antikörper und Tg-Antikörper: Ein positives Testergebnis für diese Autoantikörper weist auf eine autoimmune Ätiologie hin

Fazit

Die Hashimoto-Thyreoiditis stellt weltweit eine der am häufigsten auftretenden Autoimmunerkrankungen dar, wobei insbesondere Frauen im mittleren Lebensalter betroffen sind. In Deutschland wurde in den letzten Jahren eine starke Zunahme der Prävalenz beobachtet. Die Erkrankung führt in der Regel zu einer Hypothyreose, kann jedoch in akuten Krankheitsphasen auch vorübergehend mit einer Hyperthyreose (Hashitoxikose) assoziiert sein. Die Ätiologie der Hashimoto-Thyreoiditis ist komplex und multifaktoriell, wobei genetische Prädispositionen, umweltbedingte Einflüsse sowie epigenetische Faktoren eine bedeutende Rolle spielen. Die wichtigsten Laboruntersuchungen zur Diagnostik einer Hashimoto-Thyreoiditis sind, neben dem TSH und den freien Schilddrüsenhormonen (fT3, fT4), TPO-Antikörper und Tg-Antikörper. Der Fortschritt in der Labormedizin, insbesondere der breite Einsatz der Autoantikörper-Diagnostik, hat die diagnostischen Möglichkeiten erweitert, aber auch Herausforderungen mit sich gebracht. Die Ergebnisse der labordiagnostischen Untersuchungen müssen immer zwingend im Kontext klinischer Manifestationen sowie bildgebender Untersuchungen interpretiert werden. 


Referenzen

  1. Hu X, Chen Y, Shen Y, Tian R, Sheng Y, Que H. Global prevalence and epidemiological trends of Hashimoto's thyroiditis in adults: A systematic review and meta-analysis. Front Public Health. 2022 Oct 13;10:1020709.  zuletzt abgerufen am 13.02.2025
  2. Akmatov MK, Holstiege J, Dammertz L, Kohring C, Müller D. Entwicklung der Prävalenz diagnostizierter Autoimmunerkrankungen im Zeitraum 2012-2022. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 24/05. Berlin 2024  zuletzt abgerufen am 09.01.2025
  3. Deutsches Schilddrüsenzentrum: Presseartikel: Interview mit Prof. Zieren zum Thema „Hashimoto-Thyreoiditis: Chaos in der Schilddrüse“.  zuletzt abgerufen am 13.02.2025
  4. Vargas-Uricoechea H, Nogueira JP, Pinzón-Fernández MV, Schwarzstein D. The Usefulness of Thyroid Antibodies in the Diagnostic Approach to Autoimmune Thyroid Disease. Antibodies (Basel). 2023 Jul 22;12(3):48. zuletzt abgerufen am 13.02.2025
  5. Ralli M, Angeletti D, Fiore M, D'Aguanno V, Lambiase A, Artico M, de Vincentiis M, Greco A. Hashimoto's thyroiditis: An update on pathogenic mechanisms, diagnostic protocols, therapeutic strategies, and potential malignant transformation. Autoimmun Rev. 2020 Oct;19(10):102649. zuletzt abgerufen am 13.02.2025
  6. Dong YH, Fu DG. Autoimmune thyroid disease: mechanism, genetics and current knowledge. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2014;18(23):3611-8. zuletzt abgerufen am 13.02.2025
  7. Ärzteblatt: Hashimoto-Thyreoiditis: Nach aktueller Symptomatik und Befunden therapieren. Dtsch Arztebl 2021; 118(37): [16]. zuletzt abgerufen am 13.02.2025
  8. Eckstein A, Möller L, Führer-Sakel D, et al.: Endokrine Orbitopathie – nicht nur bei M. Basedow? In Feldkamp J (ed.): Schilddrüse und Autoimmunität. Lehmanns, Berlin 2019; 117–26.          
  9. Deutsches Schilddrüsenzentrum: Fachartikel: Hashimoto-Thyreoiditis: Diagnostik und Therapie. zuletzt abgerufen am 09.01.2025
  10. Deutsches Schilddrüsenzentrum: Schilddrüsendiagnostik – Blutuntersuchungen.  zuletzt abgerufen am 10.01.2025

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

 

zurück zum Blog

 

Um diese Webseite für Sie optimal zu gestalten und Zugriffe zu analysieren, verwenden wir Cookies. Mit Klick auf Zustimmen erklären Sie sich damit einverstanden. Ihre Zustimmung können Sie jederzeit widerrufen. Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung